Sonntag, 17.11.2024

Von Jugendkultur zu Raids – Wie gemeinsames Spielen von Videospielen das Gemeinschaftsgefühl stärkt

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Lukas Fischer
Lukas Fischer
Lukas Fischer ist Sportredakteur beim Freiburger Bote und verfolgt mit großer Begeisterung das lokale und internationale Sportgeschehen. Seine Berichte verbinden fundierte Analyse mit packender Berichterstattung.

Videospiele, insbesondere Online-Spiele, haben seit Jahren einen immer größeren Einfluss auf unsere Gesellschaft. In Deutschland ist die Games-Branche längst ein Milliardenmarkt und braucht sich mit Umsätzen von knapp 10 Milliarden Euro nicht hinter den Umsätzen der Filmindustrie zu verstecken. Dementsprechend ist auch die Bedeutung von Videospielen auf die Gesellschaft nicht zu unterschätzen.

In den frühen 2000er-Jahren waren die Debatten zur Bedeutung von Videospielen meist negativ geprägt. In etlichen Talkshows wurde etwa über die Risiken von maßlosem Zocken oder die Steigerung der Gewaltbereitschaft durch sogenannte „Killerspiele“, gerade bei Jugendlichen, diskutiert. Inzwischen hat sich der Diskurs gewandelt und die Aufgeregtheit früherer Debatten, die sich in ähnlicher Form bei anderen Medien wie etwa Action-Filmen oder Rap-Musik gefunden haben, hat sich gelegt.

Aktuell werden die positiven sozialen Auswirkungen, die durch das Spielen von Videospielen entstehen, zunehmend anerkannt. Das liegt unter anderem daran, dass Videospiele längst in der breiten Mitte der Gesellschaft angekommen sind und so nicht nur von besorgten Eltern über die Gamer geredet wird. Denn die Generation der Zocker von damals ist erwachsen geworden und mittlerweile selbst oft in einer Elternrolle.

Durch Videospiele zu mehr Verbundenheit in der Familie

Wenn Eltern gefragt werden, welche Spiele sie mit ihren Kindern spielen tauchen selbstverständlich immer noch klassische Brettspiel wie „Mensch Ärger dich nicht“, „Monopoly“ oder „Uno“ auf, aber auch vermehrt Videospiele wie „Minecraft“ und „FIFA“. Es zeigt sich eine Überschneidung von Videospielen, welche in Deutschland gerne gespielt werden, und Videospielen welche gemeinsam mit der Familie gespielt werden. Natürlich gibt es auch Unterschiede, denn obwohl „Grand Theft Auto“ oder „Call of Duty“ beliebt sind, sind sie nicht besonders kindgerecht. Daher dominieren hier altersgerechte Spiele mit einem Fokus auf Sport, Geschicklichkeit oder Kreativität.

Eine 2019 von Microsoft in Auftrag gegebene Studie zeigt das 56 Prozent der Familien in Deutschland gemeinsam Videospiele spielen. Bei den zehn beliebtesten Familien-Aktivitäten belegte das gemeinsame Spielen von Games den vierten Platz hinter Fernsehen, Geschichten vorlesen und Spazieren gehen. Aufgrund der Interaktivität von Spielen gaben viele Eltern an, durch Spiele eine engere Verbindung zu ihren Kindern zu bekommen als durch Fernsehen.

Selbstverständlich können Videospiele in Familien auch zu Konflikten führen, etwa wenn Hausaufgaben zugunsten von Spielen vernachlässigt werden oder sich Kinder Spiele wünschen, die die Eltern nicht als altersgerecht beurteilen. Hier zeigen sich allerdings erneut Parallelen zu Film und Musik, bei denen es in der Vergangenheit, und auch der Gegenwart, in vielen Familien ähnliche Problemfelder gibt. Denn das Aufzeigen von Grenzen und das Lernen von Prioritäten kann ganz selbstverständlich bei Kindern und Jugendlichen zu Konflikten führen.

Videospiele als neue Jugendkultur

Jugendkulturen waren lange Zeit eine essentielle Kraft bei der Identitätsbildung junger Menschen. Durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Jugendkultur wurde die eigene Kleidung, der Musikgeschmack und auch das Weltbild geprägt. Wer zu den Punks oder Emos gehörte konnte sich so nicht nur schon anhand der Kleidung erkennen, sondern sich bewusst von anderen Gruppen abgrenzen. Innerhalb dieser Gruppen kommt es dann zu einer stärkeren Verbundenheit.

Doch schon seit Jahren schwindet die Bedeutung dieser Jugendkulturen. Die Digitalisierung erlaubt es Jugendlichen sich einfacher selbst darzustellen und gleich Gesinnte zu finden, als das früher der Fall war. An ihren Platz treten laut Prof. Dr. Franz Josef Röll digitale Geschmacksallianzen, also detaillierte und weniger feste Verbindungen als bei den Jugendkulturen. Häufig spielt bei diesen die eigenen konsumierten Medien eine Rolle. Gerade Videospiele haben hier eine hohe Wirkmacht.

Das Beispiel „Fortnite“ zeigt, wie eine solche Geschmacksallianz aussehen kann. Als Erstes kommt die eigene Verbindung zum Spiel selbst, etwa weil das Spiel regelmäßig selbst gespielt wird oder sie sich Streamer, welche das Spiel spielen, ansehen. Danach entstehen auf Social Media Memes, die schnell die Runde machen und so ganze Schulhöfe erobern. Selbst wer keine Kinder hat, hat vielleicht den einen oder anderen Fortnite-Tanz erlebt. Durch verschiedene Events im Spiel, in welchen Charaktere aus der Popkultur in „Fortnite“ eingeführt werden, etwa aus dem Marvel-Universum, steigt dann der Hype bei den Jugendlichen noch weiter.

Allerdings hält dieser Hype nicht so lange an und nur wenige Spiele wie „Minecraft“, „Fortnite“ oder „Roblox“ schaffen es über Jahre teil dieser Geschmacksallianz zu bleiben. Einige Spiele wie „Fall Guys“ oder „Among Us“ erleben nach anfänglichem enormem Erfolg schnell einen ebenso starken Absturz, sowohl an Spielerzahlen als auch an gesellschaftlicher Relevanz.

Mit Clans und Gilden zum Erfolg

In vielen Online-Spielen ist das gemeinsame Spielen zwingend notwendig um Erfolg zu haben. Manche Spiele wie „League of Legends“ oder „Counter Strike“ werden beinahe ausschließlich in Gruppen gegeneinander gespielt. Die eigenen Kommunikations- und Teamfähigkeiten spielen eine beinahe ebenso große Rolle, wie die Fähigkeiten im Spiel an sich.

Oft tun sich Spieler daher in sogenannten Gilden oder Clans, zusammen, um so die Chancen auf den Sieg zu erhöhen. Sie geben sich einen Namen, ein Motto und ein Ziel und Verhalten sich mehr wie ein kleiner Sport-Verein. Die Art der Organisation ist je nach Größe und Ziel völlig unterschiedlich. Ein Clan mit fünf Spielern, welche sich zum Ziel gesetzt haben an einem Turnier teilzunehmen ist völlig anders aufgebaut, als einer mit fünfhundert Spielern, welche sich lose zusammentun, um schnell eine zwanglose Gruppe für ein paar Runden zocken zu finden.

Dabei erfüllen Gilden aber auch wichtige soziale Funktionen. Man hilft einander bei Problemen im Spiel aus und redet über die Entwicklung des Spiels. Oft entstehen durch das regelmäßige gemeinsame Spielen Freundschaften, die über Jahre hinweg halten. Teils kommt es zu kuriosen Entwicklungen, dass etwa das Spiel selbst den Spieler nicht mehr reizt, aber die sozialen Kontakte der Gilde den Spieler dazu bringen weiterhin aktiv zu sein. Andere Gilden entwickeln sich über ein Spiel hinaus, sind also gleichzeitig in mehr als einem Spiel aktiv.

Oft entstehen mehr oder weniger ernste Rivalitäten zwischen verschiedenen Gilden und diese werden dann im direkten Kampf Spieler gegen Spieler (PvP) ausgetragen. Andererseits kommt es aber auch immer wieder zu Freundschaften zwischen Gilden und manchmal schließen sich sogar mehrere Gilden zu einer neuen größeren Gilde zusammen.

Der Raid – Eine Herausforderung an Organisation und Teamfähigkeit

Gerade in Massively Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPGs), also Rollenspiele, in denen hunderttausende Spieler im selben Spiel unterwegs sind, sind Gilden ein oft integraler Bestandteil des sogenannten Endgames, der höchsten Herausforderungen am Ende des Spiels. Am Beispiel von „World of Warcraft“ zeigt sich diese Entwicklung besonders gut.

Damals wie heute sind sogenannte Raids, in sich geschlossene Zonen mit Gegner hoher Schwierigkeit, essentieller Bestandteil des Endgames. Früher musste man sich teilweise mit 40 Spielern gleichzeitig in einen solchen Raid begeben und jeder musste wissen, wie die Fähigkeiten der Bosse funktionieren, um sie zu besiegen.

Hier zeigen sich schon erste logistische Schwierigkeiten, denn es müssen zuerst 40 Spieler gefunden werden, welche zu einer bestimmten Zeit mehrere Stunden in einem solchen Raid verbringen können. Wenn dann ein oder zwei Spieler zum ausgemachten Termin fehlen lässt sich zwar meist Ersatz auftreiben, für den Fall das mehrere Spieler mit wichtigen Rollen fehlen, kann so ein Raid-Abend schnell ins Wasser fallen.

Daher tun sich viele Spieler zu Gilden mit teils festen hierarchischen Strukturen zusammen, welche in der Regel an zwei Tagen in der Woche feste Raid-Termine haben. Wer zu dieser Zeit nicht kann, muss sich dann oft eine andere Gilde suchen.

Trotzdem ist der Aufwand eine solche Gruppe zu organisieren, die Mechaniken der Kämpfe zu erklären und schlussendlich die Kämpfe auch erfolgreich abzuschließen eine hohe Hürde und die meisten Raids in MMORPGs haben die Zahl der Spieler die für das Endgame notwendig sind auf 12 bis 25 Spieler reduziert. Einige Spieler vermissen allerdings die Zeiten, in denen größere Gilden nötig waren, um das Endgame zu absolvieren, da die hohe Anzahl an nötigen aktiven Spielern auch zu mehr sozialen Kontakten geführt haben. Sie behaupten, dass die soziale Verbundenheit durch Funktionen wie etwa die Raid-Suche, bei der sich Spieler für Raids anmelden und dann in zufälligen Gruppen gegen die Gegner ziehen, leidet.

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